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Zabanja
Anmeldungsdatum: 17.11.2010 Beiträge: 1367 Wohnort: Wien
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Verfasst am: 23.04.2012, 12:06 Titel: Osomyr-Trilogie Band 2: 23.04.2012 |
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II
Grübelnd lief Taris vor dem Weltentor auf und ab. Das gigantische Oval aus makellos weißem Stein stand so stumm und leblos wie immer. Kaum vorstellbar, dass es einst regen Handel mit anderen Welten ermöglicht haben sollte, wie Soltar ihm erzählt hatte.
Wie war es wohl damals gewesen? Wie hatten die Lebewesen aus den fremden Welten ausgesehen?
Bewundernd legte der junge Zauberer seine Hand auf den weißen Stein, der sich kalt und tot anfühlte. Er war so glatt, dass nicht der kleinste Kratzer zu spüren war. Der Erbauer dieses Tores musste ein wahrer Meister gewesen sein.
Taris legte den Kopf in den Nacken und sah hinauf bis zur Spitze des Torbogens. Am höchsten Punkt des Ovals war eine runde Vertiefung, etwa zwei Meter im Durchmesser. Von unten gesehen wirkte sie jedoch nicht größer als eine mittelgroße Servierplatte, das Tor war wirklich riesig.
Irgendetwas hatte sich einmal in diesem Kreis befunden, dessen war Taris sich sicher, und der junge Mann glaubte auch zu wissen, um was es sich dabei handelte: die drei heiligen Insignien des wahren Herrschers.
Samryth, Werusnar und Eirhanu – wenn er sich nicht vollkommen täuschte, dann waren sie der Schlüssel des Tores und konnten es öffnen.
Langsam wurde es Taris vom vielen Hinaufstarren schwindelig und er setzte sich, den Rücken an eine Säule gelehnt, auf den Boden. Die Augen leicht zusammengekniffen fing er an zu träumen und stellte sich vor, wie es damals wohl gewesen war.
Die Luft zwischen den gewaltigen Torpfosten begann zu flimmern. Ein Knarzen, wie von einer alten, schlecht geölten Tür war zu hören. Viele bunte Farbwirbel füllten das Portal. Dann sah es wieder so aus, als wäre das Tor ein spiegelnder Teich, in den ein Stein gefallen war, sodass sich die silberne Wasseroberfläche in kleinen Wellen kräuselte.
Plötzlich erschien ein Schemen in der Toröffnung. Zunächst noch sehr verschwommen und kaum zu erkennen, doch recht schnell gewannen die Konturen an Form und nach kurzer Zeit konnte man bereits die Umrisse eines Lebewesens erkennen, das durch das Dimensionstor trat. Es sah recht sonderbar aus, vollkommen anders als alle Wesen, denen Taris bisher begegnet war. Es lief zwar auf zwei Beinen wie ein Mensch, aber es hatte vier Arme und einen spiralförmigen Hals. Der Kopf war im Gegensatz zum Oberkörper sehr groß – lang und schmal. Haare besaß das Wesen keine, genauso wenig Ohren. Stattdessen hatte es Fühler auf dem Kopf.
‚Vielleicht hört es ja mit den Dingern’, dachte Taris bei sich und beschloss abzuwarten, was geschehen würde.
Ein schlanker Elb trat auf den Fremdling zu. Er war nicht besonders groß, vielleicht einen Meter siebzig, doch sein Erscheinungsbild strahlte Würde und Entschlossenheit aus. Das lange, goldblonde Haar war hinter die spitzen Ohren zurückgekämmt und die saphirblauen Augen blickten dem Neuankömmling freundlich entgegen.
„Sei gegrüßt, Thoram“, sagte der Elb und obwohl er leise gesprochen hatte, so füllte seine Stimme doch den ganzen Saal. „Es ist uns eine große Ehre, dich nach so langer Zeit wiederzusehen.“
Das seltsame Wesen nickte mit dem Kopf und vollführte einige kompliziert aussehende Gesten mit seinen feingliedrigen Armen. Taris fürchtete insgeheim schon, die Kreatur könnte ihre Arme derart verknoten, dass sie sich nicht mehr selbst befreien konnte, doch dieses Missgeschick blieb aus. Stattdessen brummte die Gestalt etwas in einer eigentümlichen Sprache. Es war eine Art Knurren und Krachen, für Taris absolut unverständlich, doch er glaubte schließlich, den Namen Nituriel herauszuhören.
„Taris! Träumst du?“
Der Sechzehnjährige erwachte aus seinem Tagtraum, als ein rot gebundenes Buch auf seinen Knien landete.
„Entschuldige bitte, Soltar“, meinte Taris verlegen, rieb sich kurz über die Augen und strich sich die widerspenstigen Haare glatt. „Ich hatte mir nur gerade vorgestellt, wie es hier früher einmal gewesen sein könnte. Das Tor ist so gewaltig, als wäre es für Riesen erschaffen worden.“
„Wer weiß, vielleicht gab es ja tatsächlich Besuch von sehr großen Wesen. Aber anstatt hier zu träumen, solltest du lieber überlegen, wo die anderen beiden Insignien versteckt sein könnten. Hast du denn das Rätsel mittlerweile gelöst?“
„Nein.“ Er schüttelte den Kopf. „Ich habe immer noch keine Ahnung, was man uns damit sagen will. Warum hat man es überhaupt so weit oben angebracht? Es war ja purer Zufall, dass wir es entdeckt haben.“
Sein Blick wanderte wieder an die Spitze des Ovals und blieb etwas unterhalb der kreisförmigen Vertiefung hängen. Wenn man genau hinsah, konnte man eine Unregelmäßigkeit erkennen. Sie war nicht groß, unterschied sich aber doch von der makellos glatten Oberfläche des Steinovals.
Taris war dieser kleine ‚Fehler’ im Erscheinungsbild des Tores etwa drei Wochen nach seiner Ankunft auf Osomyr aufgefallen.
„Sieh doch mal, Soltar“, hatte er sich an das Buch gewandt, „es sieht fast so aus, als wäre dort oben etwas in den Stein geritzt worden.“
„Bist du dir sicher?“, hatte Soltar etwas skeptisch geantwortet. „Vielleicht ist auch nur etwas von dem Stein abgebrochen. Vergiss nicht, wie alt dieses Tor schon ist.“
„Aber warum hat es dann hier unten keinen einzigen Kratzer? Nein, ich bleibe dabei. Dort oben ist absichtlich etwas verändert worden. Könntest du bitte hinauf fliegen und für mich nachsehen?“
Taris hatte Soltar so dringend darum gebeten, dass das Buch der Welten gar keine andere Wahl gehabt hatte, als ihm zu helfen.
Rasch war es emporgeschwebt und hatte sich die Stelle aus nächster Nähe angesehen.
„Du hast recht!“, hatte es Taris zugerufen. „Hier sind tatsächlich Worte eingeritzt. Es scheint eine Art Rätsel zu sein.“
Soltar hatte dem jungen Zauberer die Zeilen vorgelesen und gleichzeitig waren sie auch auf einer leeren Seite in seinem Inneren erschienen:
Eingeschlossen im Licht;
Verborgen im Klang der Stille;
Verloren in Raum und Zeit;
Warten wir auf den Beginn
einer neuen Ära.
„Eingeschlossen im Licht? Der Klang der Stille? Was sollen diese Zeilen denn nur bedeuten? Für mich ergeben sie einfach keinen Sinn.“
Noch immer verwirrten diese Worte den jungen Magier. Wie konnte etwas im Licht eingeschlossen sein? Und seit wann konnte man Stille hören?
„Nimm das lieber nicht wortwörtlich“, versuchte Soltar seinen jungen Freund zu beruhigen. „Ich nehme doch stark an, dass es sich bei diesen Zeilen um eine Metapher handelt, eine Art Beschreibung also, ein Sinnbild.“
„Ein Sinnbild, ja. Aber wofür? Wir rätseln jetzt schon seit fast vier Monden an diesen Worten und haben immer noch keine Lösung gefunden.“ _________________ Alles Liebe
Petra
Eine halbe Wahrheit ist eine ganze Lüge |
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Verfasst am: 23.04.2012, 12:06 Titel: Werbung |
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